Rückblick

Vom Glück und der Kraft des Tanzes

Aufführungen im Apollo-Theater am 21. bis 23. Juni 2024

Schon das Projekt „Tanzland“ zeigte, wie viele Talente in den Siegener Ballettschulen tanzen. Besonders stolz ist die Ballettschule Reindt daher, dass es ihre Schülerin Eileen Grimm geschafft hat, als eine der drei Stipendiatinnen nächstes Jahr in einer Produktion der Osnabrücker Tanzkompanie mitzuwirken zu können. Am vergangenen Wochenende brachte nun die Ballettschule Reindt ihre rund 350 Tanzschülerinnen und Tanzschüler auf die Bühne des Apollo Theaters. Die vier ausverkauften Vorstellungen zeigen auch, wie groß mittlerweile das Interesse des Siegener Publikums an Tanz ist.

Bis sich der Vorhang öffnen kann, ist ein ganzes Schuljahr Anstrengung notwendig, die bereits direkt nach den Sommerferien beginnt. Im wöchentlichen Training werden die Grundlagen vermittelt, die es später braucht. Damit haben auch die Anfänger, egal ob vier oder über 40 Jahre die Möglichkeit, in die Welt des Tanzes einzutauchen. Die ersten Schritte des klassischen Balletts werden ebenso vermittelt wie erste coole Moves beim Hip-Hop. Die Schritte fügen sich dann nach und nach zu kurzen Enchainments oder Kombinationen zusammen. Die Fortgeschrittenen lernen ebenfalls neue Schritte und verfeinern ihre Technik, um ihr tänzerisches Repertoire ständig zu erweitern.

Für jede Stufe entwickeln Danielle und Hugo Reindt Choreografien, die das jeweilige Niveau der Gruppe bestmöglich zeigen und in den Proben ab Januar vermittelt werden. In den Tänzen geht es jedoch nicht allein um das Zeigen der erlernten Schritte und Formationen. Hinzu kommen noch Kostüme - in diesem Jahr mit engagierter Unterstützung von Anna Niklas - und Bühnenbilder – allesamt entworfen und gebaut von Hugo Reindt, damit die einstudierten Tänze kleine Geschichten erzählen können.

So zeigen schon die 4–5-Jährigen viel Charme in ihrem Tanz „Prinzessinnen und Musketiere“ und selbst die Herausforderung mit schnell wechselnden Plätzen meistern sie souverän. Ein verstohlenes Winken Richtung Mama oder Papa neben den Tanzschritten verzaubert das Publikum, welches die Jüngsten mit einem begeisterten Applaus belohnt. Auch im Auftritt „Tanz in den Frühling“ der 6–8 Jährigen Anfänger werden die zahlreichen Tänzerinnen durch drei Tänzer unterstützt, die ihre Rolle als Kavalier sehr ernst nehmen und mit einem ersten kleinen Solo glänzen können. Als die ersten Töne des „Radetzky Marsch“ erklingen, marschieren die 6-8 Jährigen der Mittelstufe als Kolumbinen in schwarzen und weißen Tutus auf die Bühne und zeigen mit viel Schwung ihre Tanzschritte. Die Fortgeschrittenen der 6-8 Jährigen tanzen mit ihren zarten Kleidern in Regenbogenfarben zur Musik von Enya weitere, neue Formationen und verbinden die klassischen Ballettschritte bereits mit ersten zeitgenössischen Bewegungen.

Auch in der Altersstufe der 9-13 Jährigen zeigen die verschiedenen Gruppen wieder, wie sich die Kinder entwickeln können. Die Anfänger bringen mit „In the Mood“ jede Menge Schwung auf die Bühne und erzählen die Geschichte eines Seemanns, der an Land die jungen Damen begeistert. In den Tanz der Mittelstufe wurden ebenfalls neoklassische Schritte integriert, die mit ihren fließenden Bewegungen das Lied „Halleluja“ in der Instrumental Version und später in den drei kleinen Soli mit der Gesangversion wunderbar interpretierten. Schließlich präsentierten die Fortgeschrittenen nochmal reinen klassischen Tanz „Auf dem Ball“ und tanzten zu festlichen Walzerklängen anspruchsvolle Schrittkombinationen mit großer Eleganz und stets mit einem Lächeln.

Die Ballettschule Reindt zeichnet sich in all den Jahren dadurch aus, dass Sie neben den vielen Kindergruppen auch zahlreiche erwachsene Menschen für den Tanz begeistern kann. So tanzten in diesem Jahr die fast 40 jungen und älteren Erwachsenen der Anfänger und Mittelstufe zur Musik von Bach eine Hommage an „Unsere Erde“. Sie überzeugen das Publikum durch ihre anmutigen und zarten Bewegungen, die an die sanft wehenden Gräser im Wind erinnern.

Nicht mehr wegzudenken aus den jährlichen Ballettvorstellungen sind die abwechslungsreichen Auftritte der Hip-Hop Gruppen sowie der Modern Gruppe. Den Anfang machten hier wieder die jüngeren Mitglieder der Ballettschule. Die Gruppe „Kinder Hip-Hop“ eröffnete die Nachmittagsvorstellungen mit viel Energie und nahm das Publikum begeistert mit in die weiteren Auftritte.

Mit der Modern Gruppe ging es weiter und die Fortgeschrittenen zeigten hier eine weitere Facette des Tanzes mit ihrem zeitgenössischen Stück in einer sehr gelungenen Choreografie von Celine Reichwald. Hier glänzten jedoch nicht nur die Tänzerinnen und Tänzer mit ihrem Können. Die 13-jährige Schülerin Shanice Esteghlal, die bereits im Halbfinale von „The Voice Kids“ zu sehen war, konnte ein weiteres Talent unter Beweis stellen und ihr Livegesang bereicherte den Ballettabend.

Die Gruppe der Erwachsenen beginnt mit einem Solo von Melissa Kail und Theodor Kilian (am Freitag und Sonntag) bzw. Anita Hani und Franka Weber (am Samstagnachmittag und Samstagabend). Im Schwarzlicht treten sie aus der neonfarbenen Wand hervor nehmen das Publikum mit in die Welt des Hip-Hops. Anschließend wird die ganze Bandbreite der unterschiedlichen Stilrichtungen durch die Auftritte der Gruppe ausgebreitet. Hip-Hop, Ticking, Shaken wechseln sich ab mit Crumping und Wave, alle getragen von starkem Ausdruck, exakten Bewegungen sowie wahnsinnig viel Energie und Freude am Tanz. Anschließend steigern die Solisten der Gruppe (Maya Balzar, Marco Barleben, Mia Gelkermann, Julika Kühn, Céline Reichwald, Lisanne Wiegel) nochmal den Energielevel. Gegen Ende des Solos fallen die weißen Masken und die sechs werfen sich nochmal kraftvoll und tänzerisch auf sehr hohem Niveau in die letzten Bewegungen. Am Ende kommen alle Tänzer zusammen und füllen mit Ihrem getanzten Flashmop nicht nur die Bühne komplett aus, sondern auch den Zuschauerraum. Erst mit der Endpose der über 90 Beteiligten wird die überwältigende Zahl deutlich, die mit den Choreografien von Celine Reichwald und Marco Barleben beeindruckend in Szene gesetzt wurden.

Nach den vielen kleinen Geschichten wurde am Ende des Abends eine ganz große Geschichte erzählt. Den Bogen von junger, unbeschwerter Liebe zu tödlicher Tragödie spannten die Erwachsenen Fortgeschrittenen zusammen mit der Mittelstufe in „Romeo & Julia“. Eine wunderbare Gelegenheit nicht nur die tänzerischen Qualitäten der Gruppe zu zeigen, sondern auch den Solisten die Möglichkeit zu geben ihren Gefühlen im Tanz Ausdruck zu verleihen. Insbesondere die Proben mit den sehr jungen Solisten Anna Below als Julia (18 Jahre) und Theodor Kilian als Romeo (16 Jahre) zeigte, wie sehr sich die jungen Menschen in ihrem Ausdruck sowie auch tänzerisch entwickelt haben.

Die Inszenierung wurde mit einem unbeschwerten Miteinander der Gruppe eröffnet, in dem plötzlich ein Kampf zwischen Romeo, Mercutio (Meike Vedder) und Benvolio (Sandro Scaiano) und auf der anderen Seite Tybalt (Marco Barleben) entsteht. Auf dem anschließenden Ball tanzt die Gruppe diesmal in klaren Linien und hoher Präzision. Julia wird hier von ihren stolzen Eltern (Danielle und Hugo Reindt) eingeführt und trifft das erste Mal auf Romeo. Die beiden tanzen ein stürmisches Pas de Deux als Ausdruck ihrer jungen Liebe, die sie mit einer heimlichen Hochzeit vor dem Pater (Hartwig Jochum) besiegeln.

Der anschließende, bunte Karneval wird jäh unterbrochen, als diesmal Tybalt und Mercutio aneinandergeraten und beide im Streit sterben. Romeo und Julia verabschieden sich daraufhin leidenschaftlich voneinander. Konnte man im ersten Pas de Deux noch die Leichtigkeit und Unbeschwertheit in den ersten zarten Berührungen und Hebungen sehen, wurde hier die Verzweiflung spürbar. Diese wurde nochmal gesteigert als die beiden jungen Liebenden an Julias Grab ein letztes Mal herzzerreißend miteinander Tanzen, bis sie im Tod tragisch vereint sind. Als sich der Vorhang nach dieser berührenden und aufwendigen Inszenierung schließt, herrscht ein Augenblick Stille im Publikum, bis ein stürmischer Applaus die Begeisterung zum Ausdruck bringen kann.

Zum Ende des Ballettabends, durch den wieder die charmante Moderatorin Boglarka Beyer-Rickes führte, versammeln sich nochmal alle Tänzerinnen und Tänzer sowie Mitwirkende und Helfer zum großen, gemeinsamen Finale auf der Bühne und verabschieden sich bis zum nächsten Mal.